Neuer Glanz aus vergessenem Werk

Das Weihnachtsoratorium von Carl Heinrich Graun in St. Friedrich zu Friedrichsdorf

Chor am 10.01.2015 Foto von W.D. Tabbert

Weihnachtlicher Glanz erstrahlt in der katholischen Kirche auch bei tobendem Sturm und Regen, auch am ersten Samstag nach Epiphanias, Glanz der besonderen Art. Das Werk, das Kantor Rainer Timmermann für diesen Abend in die Hand genommen hat, ist noch nicht in vielen Händen gewesen. Verschollen war es, offenbar vor Grauns Berufung als Kapellmeister an den preußischen Hof unter Friedrich dem Großen 1735 entstanden. Erst 1998 wurde es in der Library of Congress in Washington D.C., USA wieder gefunden. So sind die Ohren in der voll besetzten Kirche St. Friedrich zu Friedrichsdorf am frühen Abend des 10.1. neugierig gespitzt.
Weihnachtlicher Glanz ertönt vom barockesk besetzten Orchester mit vielen sehr jungen Musikern, der wegen Krankheit auf 40 Sänger dezimierte Chor singt "Mache dich auf", aus der Prophezeiung des Jesaja. Die erste Solistin Ulrike Westenfelder singt in der Folge die fast poetischen Zeilen der ersten Arie, so heißt es "Erscheine doch und komm, erbarmungsvolle Liebe, brich durch, in Gott gebor'nes Kind, brich herein, vernimm einmal des Herzens nasse Sehnsuchtstriebe, die Früchte deines Außenbleibens sein." Es ist die sprachliche Dimension dieses Werkes, die um 1730 schon neu war und die in 2015 neu ist, so alt sie auch sein mag. Gedichte, meditative Texte und Dialoge statt der bekannten Bibeltexte machen das Tor auf zu einer neuen Betrachtung des Weihnachtswunders und das Konzert zu einer nicht nur musikalisch großartigen Erfahrung. Wunderbar, dass sowohl die SolistInnen als auch der Chor meistenteils so klar intonieren, dass ein Mitlesen nicht nötig ist. So ist leicht vergeben, dass die Sopranistin Gudrun Elpert-Resch in Recitativo Nr. 6 nach wenigen Tönen souverän abbläst und neu anspielen lässt, dass Tenor Hans-Hermann Möller an manchen Stellen blass und heiser scheint und dass hier und da der Eindruck durchblitzt, die Musik sei zu schwer, die Umsetzung mühsam. Es ist der Glanz der ungewöhnlich vielfältigen musikalischen Ausschmückung der Arien und Recitative, der den Hörer wieder einfängt, der kleine Ungenauigkeiten überstrahlt. Erwähnt sei hier hell glänzend das Wechselspiel zwischen Sopran und Flöten in Arie Nr.14, die Kraft des Tenors im Chor bei Coral Nr.15 (denn sie waren nur zu fünft!), und die Virtuosität der beiden Fagotte in Nr.11. Auch der Tenor-Solist Hans-Hermann Möller hat hier seine Stunde, "Mache mich zu deiner Krippen, lehre mich mit frommen Lippen, Abba, lieber Vater schrein", - so kraftvoll der Text in Arie Nr.19, so stark hier seine Stimme. Welche Macht der Welt traute sich nach der vom Bass Siegfried Westenfelder überzeugend und souveränen gesungenen Arie "Abgrund krache, Tod erzittre, Hölle fleuch" gegen den neugeborenen König aufzulehnen. Erfrischend ist die Idee, die Gemeinde durch das Singen dreier gemeinsamer Lieder einzubeziehen, neben "Ich steh an Deiner Krippen hier" und "Wie soll ich dich empfangen", die aus Grauns Zeit stammen, ist es vor allem das moderne "Die Nacht ist vorgedrungen", das sich erstaunlich gut in den musikalischen Kontext einfügt. Wunderschön das schon vielversprechend eingeleitete Schlussduett Nr. 21 der beiden Sopranistinnen, als ginge die Musik von Gott direkt durch ihre Kehlen, das Herz des Hörers zu erfreuen.
Diesem Zauber Teil zu werden ist das Großartige dieses Abends in St. Friedrich zu Friedrichsdorf. Großer Dank und ein gezogener Hut Herrn Timmermann im Stresemann mit all seinen Musikern.
Was für ein Glück für diesen kleinen Ort, diesen Kantor zu haben!
von Christine Schwartzkopff, 12. Januar 2015

Was "Die Glocke" dazu geschrieben hat.